Immer wieder sieht man sie am Horizont vorbeiziehen. Die fast etwas putzig wirkenden Schiffe ähneln aus der Entfernung ein bisschen den Pritschenwagen, wie sie die Strassenmeistereien benutzen. Aus der Nähe betrachtet sind es jedoch wahre Ungetüme, denen man ihre Kraft und Robustheit auf einen Blick ansieht.
Die Rede ist von den Versorgungsschiffen der Öl- und Gasindustrie. Gleich mehrere bedeutende Reedereien solcher Schiffe sind in Sunnmøre lokalisiert. Von daher ist der Anblick dieser Kraftpakete für Sunnmøringer alltäglich.
Kräftig und robust sollte diese Schiffe wirklich sein, denn sie sind die Lebensader der Öl- und Gasplattformen vor der norwegischen Westküste. Und dort an den Ölfeldern, die so niedliche Namen wie Snøhvit (=Schneewittchen) oder Kvitebjørn (Weissbär) tragen, sind die Wetterverhältnisse mitunter ziemlich ruppig. Windgeschwindigkeiten von mehr als 150 Stundenkilometer und Wellenhöhen von 25 Metern sind dort draussen nicht unbekannt. Aber es gibt ja bekanntlich kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Ausrüstung und aus diesem Grund müssen die Versorgungsschiffe selbst den widrigsten Bedingungen trotzen. Für Tagesraten zwischen 15.000 und 20.000 Euro (für PSV-Schiffe) akzeptieren die Ölproduzenten keine Verzögerungen bzw. Verspätungen im Betriebsablauf.
Bei all diesen Offshore-Fahrzeugen handelt es sich um Spezialschiffe, die unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte haben.
So gibt es einerseits die Transport- und Versorgungsschiffe, soganannte PSV (=Plattform Supply Vessel). Es sind die Lastenesel unter den Offshore-Service Schiffen. Sie werden zum Transport von Ersatzteilen, Proviant, technischem Gerät oder Mannschaften eingesetzt. Grosse PSV sind mehr als 100m lang und entsprechend gut motorisiert. Zum Be- und Entladen sind sie oftmals mit Kränen ausgestattet, die auf jeder Seite des Laderaums auf Schienen bewegt werden können.
Die grössten Serviceschiffe sind sicherlich die CSV (Construcion Support Vessel). Auf ihnen sind riesige Kräne und extrem starke Seilwinden montiert, um Konstruktionsarbeiten an den Plattformen auszuführen. Sie werden auch zur Errichtung von Offshore Windanlagen eingesetzt. Die Siem Stingray beispielsweise ist 121m lang und führt einen 250t Kran mit sich. Die 8 Hauptmotoren (4 Diesel- und 4 Elektroaggregate) leisten in Summe etwa 15.000PS und koennen eine Zuladung von etwa 3.000t befördern.
Und dann gibt es noch die Ankerziehschlepper oder AHTS (Anchor Handling Tug Supply Vessels). Sie sind sehr stark motorisiert, denn sie werden zur Verschleppung von Bohrplattformen oder zur Verlegung von Pipelinerohren verwendet. Bei der Verschleppung von Bohrinseln werden gar mehrere AHTS benötigt. Meist ziehen 2 dieser Schiffe wärend mindestens ein weiteres Schiff die Bohrinsel in die andere Richtung absichert.
Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit, die Far Solitaire zu besichtigen. Das PSV-Schiff wurde 2012 in Dienst gestellt und gehört mit einer Länge von 92 Metern, einer Zuladung von etwa 3.000 to und einem Tiefgang von 6,3m zu den grossen PSV-Schiffen. Mit den beiden Haupmotoren des Kraftpaketes steht dem Kapitän eine Leistung von mehr als 11.000 PS zur Verfügung. Genügend Reserven also, um mit allen Stürmen und Wellen fertig zu werden.
Die Ladung kann mit den beiden auf Schienen beweglichen Kränen problemlos selbst an oder vom fast 1000qm grossen Ladedeck gehievt werden.
Im Inneren ist die Far Solitaire erstaunlich geräumig, ja fast gemütlich eingerichtet. Für die maximal 25 Crewmitglieder gibt es neben den Schlafkabinen auch Aufenthaltsräume, Besprechungszimmer und sogar einen voll ausgestatteten Fitnessraum. Die Brücke ist ebenfalls supermodern ausgestattet. Es wimmelt von Bildschirmen, Kontrollleuchten und Armaturen. Ein typisches Steuerrad sucht man hier übrigens vergebens. Der Kapitän oder der Steuermann manöveriert heutzutage mit einem Joystick.
Das Geschäft mit den Offshore-Schiffen: Ein ganz wichtiger Wirtschaftszweig für Sunnmøre. Noch zumindest, denn der niedrige Rohölpreis hat dafür gesorgt, dass vor allem die kleineren Fahrzeuge zunehmend Probleme haben, eine wirtschaftliche Auslastung zu erreichen. Die Far Solitaire betrifft das derzeit nicht. Sie ist im Ekofisk-Ölfeld unterwegs und transportiert Ersatzteile und Proviant.
Die aktuelle Position der Far Solitaire erfahren Sie hier:
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