Gemeinsames Schuften in zwei Akten

Sie treffen sich mit Spaten oder anderem Werkzeug bewaffnet Nachmittags vor dem örtlichen Kindergarten. Sie richten den Grillplatz der Schule her oder streichen die Spielgeräte des Spielplatzes um die Ecke. Norwegische Familien – vor allem die mit minderjährigen Kindern – sind gleich mehrfach im Jahr im Dienste der Allgemeinheit unterwegs. «Dugnad» heisst das Zauberwort hierzu. Eine Dugnad ist nicht einfach nur eine Art von Gemeinschaftsarbeit, es ist vielmehr eine Haltung. Und diese Haltung ist so typisch Norwegisch, dass die Norweger selbst den Begriff «Dugnad» zum norwegischen Nationalwort des Jahres 2004 kürten. Doch wie lässt sich der Begriff nun halbwegs verständlich erklären? Ich bemühe hierzu einfach mal ein Zitat aus dem Buch «Gebrauchsanweisung für Norwegen» von Ebba D. Drolshagen, welches übrigens sehr lesenswert ist und im Piper-Verlag erschien Dort heisst es auf Seite 99: «Zum dugnad kommen Leute zusammen, die etwas gemeinsam haben – seien es Kinder in einer Klasse, die Mitgliedschaft in einem Verein oder dieselbe Adresse, um in der Gruppe etwas zu tun, was man als unbezahlte Gemeinschaftsarbeit bezeichnen könnte. Das aber trifft den Kern von dugnad nur sehr ungenau.» Denn Dugnad ist auch ein soziales Happening, dass immer mit einem Becher Kaffee, einem Eis, oder Stückchen Kuchen abgeschlossen wird und man dadurch auch immer auf dem neuesten Stand in Sachen Klatsch und Tratsch bleibt. Anders als bei einer herkömmlichen Gemeinschaftsarbeit ist eine Dugnad lediglich – nennen wir es – «semi-freiwillig», d. h. die Teilnahme ist zwar keine Pflicht, zumindest aber stark erwünscht, was dazu führt, dass die fehlende Anwesenheit am besten dadurch dokumentiert wird, wenn man einfach nicht zu Hause ist.

Für ausländische Einwanderer ist eine regelmässige Teilnahme von dugnads sehr empfehlenswert, denn es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, seine neuen Nachbarn ungezwungener und gesammelt kennen zu lernen. Als ich selbst wenige Wochen nach unserem Zuzug nach Godøy an einer Dugnad teilnahm, sagte mir ein Eingeborener: «Du kennst hier ja sicher niemand von uns. Wir wissen aber schon eine ganze Menge von Euch.» Anfangs war ich mir nicht sicher, ob es eine Drohung oder eine Sympathiebekundung war. Heute glaube ich, es war eher Letzteres.

Eine Dugnad besteht aus insgesamt 2 Akten. Im ersten Teil wird gemeinsam gearbeitet. Dabei entwicklen sich Arbeitsintensität und -effizienz umgekehrt proportional zur bereits abgeleisteten Arbeitszeit. Irgendwann, so nach etwa 2/3 der vereinbarten Arbeitszeit, kommt schliesslich eine der teilnehmenden Damen (und das soll jetzt kein Klischee bedienen, es ist einfach so) mit Kaffee, Limonade, Kuchen und manchmal auch mit warmen Wienerwürstchen. Damit wird dann der 2. Akt der Dugnad eingeläutet, also der soziale Teil.

Gestern konnte ich eine solche Dugnad etwas dokumentieren. Dabei war es keine typische Dugnad, da sie in gleichem Masse in grossen Teilen Norwegens durchgeführt wurde. Hintergrund ist die starke Verunreinigung von Nord- und Ostsee mit Plastik. Der 5. Mai wurde also zum grossen Plastiksammeltag erklärt, bei dem auch die Gemeinde Giske und mit ihr auch der hiesige Sportverein Godøy IL teilnahm. Eine schöne Dugnad war es, da hier auch die Kinder teilnehmen und Verantwortung übernehmen konnten. 3 Stunden suchten viele fleissige Hände die Strände nach aller Art Unrat ab. Es war klar, dass dabei einiges zusammen kam.

Auch wenn die Aktion angesichts der riesigen Plastikmengen in den Weltmeeren – Experten schätzen, dass jährlich etwa 8 Millionen Tonnen Plastikabfall im Meer landen – nicht mehr als der berühmte Tropfen auf dem heissen Stein bewirkte, so waren viele Teilnehmer (mich eingeschlossen) nahezu schockiert über das Ausmass der Verschmutzung. Schön, wenn sich bei Allen durch die Teilnahme ein Problembewusstsein gebildet hätte.

Vielen Dank an Øyvind Snorre Magelssen Godø von der Lokalzeitung Øy-Blikk für die Überlassung einiger seiner Fotos.




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