Etwas verdutzt war ich schon, als wir Mitte Februar 2019 an einer Supermarktkasse in der Nähe von Koblenz anstanden. 37,48Euro lautete die Gesamtsumme unserer Einkäufe. Wie selbstverständlich zückte ich meine Bankkarte, als ich hinter mir hörte, wie eine Frau mittleren Alters zu ihrer ebenfalls weiblichen Begleitung zuraunte: «Mein Gott, schon wieder einer ohne Bargeld». Ich tat so, als hätte ich es nicht gehört, aber geärtert hat es mich anfangs dennoch.
Schnell geriet dieser kurze Vorfall in Vergessenheit, bis ich vor einigen Tagen in der Onlineausgabe eines bekannten deutschen Nachrichtenmagazins las, dass die Deutschen in 2018 erstmals mehr mit der Karte als mit Bargeld zahlten.
Nun sind die Skandinavier ganz generell sehr offen, wenn es um moderne und vor allem bargeldlose Zahungsformen geht. In vielen Banken wurden die Kundenberater mit direktem Bezug zum Geldverkehr wegrationalisiert und auch viele Geldautomaten werden fleiβig ignoriert. Und es ist tatsaechlich so: Bargeld braucht hier oben niemand so wirklich. Abgesehen von einer 10-Kronen-Münze, ohne die man hier und da Probleme hat, einen Einkaufswagen im Supermarkt zu ergattern.
Ansonsten erfolgen nahezu alle Zahlungen, die für den privaten Konsum nötig sind, per Kredit- bzw. Debitkarte. Oder aber per Mobiltelefon. Wie sieht also der Alltag aus, der weitgehend ohne Bargeld auskommt.
Hier ein paar Beispiele:
Bei Einkäufen des täglichen Bedarfs, also in Supermärkten, Bäckereien, Tankstellen o. ä. wird gar nicht erst erwartet, dass man mit Bargeld zahlt. Geschäfte, die einen Mindestbetrag für Kartenzahlungen fordern, findet man nirgends, sie wären ohnehin längst pleite. Die Zahlung einer einzelnen Kaugummipackung mit EC- oder Kreditkarte läβt hier keinen Kassierer zusammenzucken.
Bei Kleinveranstaltungen wie dem Fuβballspiel des Dorfvereins werden ebenfalls EC-Kartenzahlungen entgegen genommen. Ein mobiles Kartenterminal wird einfach mit einem Smartphone oder einem Tablet-PC verbunden und schon kann es losgehen.
Alternativ kann man natürlich auch «vippsen». Vipps ist eine Smartphone-App, mit der man Zahlungen direkt vor Ort versenden kann. So kann man auch schnell mal der Tochter helfen, die in 20 Kilometer Entfernung vor einer Kasse steht und feststellt, dass ihr Einkauf das Guthaben auf ihrem Girokonto übersteigt. Dann «vippst» Papa oder Mama schnell ein paar Kronen und schon zwei Sekunden später kann Töchterlein ihre nagelneue Jeans zahlen.
Per «Vipps» lassen sich auch Restaurantrechnungen einfach und unbürokratisch aufteilen. Einer zahlt den Gesamtbetrag und die anderen “vippsen” ihren Anteil an den Zahler, fertig. Kosten fallen bei solchen Transaktionen keine an, sofern sie zwischen Privatpersonen abgewickelt werden. Unternehmen zahlen eine Provision von 2,5% der Kaufsumme.
Speziell in Norwegen gilt eine norwegische EC- Karte sogar als offizielles Ausweispapier. Denn um eine solche zu bekommen, muss man natürlich auch ein Konto besitzen. Und das bekommt man nur, wenn man auch eine norwegische Personennummer hat, also beim Einwohnermeldeamt bzw. Finanzamt entsprechend registriert ist. Und da diese Personennummer zusammen mit einem Paβbild auf der EC-Karte zu finden ist, wird sie als Ausweispapier akzeptiert.
Für Touristen ist die lückenlose Akzeptanz von Debit- oder Kreditkarten ein groβer Vorteil, vermeidet man so den teuren Geldwechsel. Und sollte man doch Lust auf ein paar norwegische Kronen haben, einfach einen Geldautomaten, hier «Minibank» genannt, suchen und dort mit der Karte Bargeld abheben. Falls kein Geldautomat vorhanden ist, kann man alternativ auch zum nächsten Lebensmittelladen gehen. Diese betreiben oftmals auch eine kleine Bank- oder Postfiliale, bei der Bargeld abgehoben werden kann.
Ein Alltag ohne Bargeld. Er ist tatsächlich möglich.
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